Staatstheater Nürnberg
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Schauspiel

Andi Eu­ro­pä­er (UA)

Eine Völkerschau von Philipp Löhle

Regie: Tina Lanik

Mittwoch, 01.04.2020

19.30 - 21.20 Uhr

Kammerspiele

Abo K21

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Andi Europaeer header

„Man kann nicht gegen etwas werben, nur für etwas“, weiß Andi, „erstes Semester Kommunikationswissenschaft!“ Trotzdem ist er als Exponat „Berliner Hipster“ in Philipp Löhles satirischer „Völkerschau“ Teil einer Kampagne, in der ein Querschnitt Deutschlands (vom Jägerzauninhaber bis zur ostdeutschen Frisöse) durch Afrika fährt, um die dortige Bevölkerung von einer Flucht nach Europa abzuhalten. Dass das Auswärtige Amt seit 2015 tatsächlich Informationsveranstaltungen mit diesem Ziel durchführt, nimmt der Nürnberger Hausautor zum Ausgangspunkt seiner so amüsanten wie abgründigen Analyse des Zustands der deutschen Seele zwischen Zukunftsangst, innerer Zerrissenheit und postkolonialem Größenwahn.

Beschreibung

„Seit 2015 werden im Auftrag des Auswärtigen Amtes in ganz Afrika Informationsveranstaltungen durchgeführt, die Afrikaner davon abhalten sollen, die Flucht nach Europa anzutreten. – Ist wirklich so!“

Diese kurze Vorbemerkung leitet das neueste Stück des Nürnberger Hausautors Philipp Löhle ein. Auf der Höhe aktueller gesellschaftlicher Diskurse übt er in seinen Antikapitalismus-Grotesken und skurrilen, bisweilen sarkastischen Tragikomödien leichthändig Systemkritik. Humorvoll den Finger in offene Wunden legend, lässt er schräge Gestalten aufeinandertreffen. Oft sind sie Außenseiter, Eigenbrötler oder Spinner. Ganz anders nun „Andi“: Die titelgebende Hauptfigur des neuen Stücks „Andi Europäer“ ist geradezu ein Vorzeigeexemplar (im Wortsinne!) aus der „Mitte der Gesellschaft“. Gemeinsam mit einigen Anderen ist er als (etwas willkürlich zusammengestellter) Querschnitt Deutschlands Teil einer „Völkerschau“ mit umgekehrten Vorzeichen. Diente in Zeiten des Kolonialismus die mehr oder minder inszenierte Zurschaustellung „exotischer Völker“ der Demonstration von Andersartigkeit (und dabei oftmals wenig subtil der europäischen Selbstversicherung als „rassisch wie kulturell überlegen“), so nutzt Löhle die nicht eben animierende Vorführung des „deutschen Nationalcharakters“ nun zur ironischen Selbstentlarvung eines Landes und seiner so vielzitierten wie -geschmähten „Willkommenskultur“. Auch hier geht es ganz klar um eine Inszenierung von „Andersartigkeit“ – allerdings zum Zwecke der Abschreckung: die innere Zerrissenheit des Berliner Hipsters zwischen unerfüllten Sehnsüchten, endloser Dauerstressschleife und uneindeutiger geschlechtlicher Identität taugt dazu ebenso wie die „abgehängte“, ostdeutsche, alleinerziehende Friseurin am Rande des Nervenzusammenbruchs und des Existenzminimums. Vorteile und Grenzen der „offenen Gesellschaft“ werden im Stück ebenso gestreift („ein kompliziertes Konzept… überlegen sie sich also lieber, ob sie mit klareren Strukturen nicht besser dran sind“) wie Entsprechungen zwischen deutscher Sprache („klingt, wie wenn man mit dem Auto wo gegenfährt“) und der damit eng verknüpften Härte, Zackigkeit und Kälte deutscher Mentalität. Und so wie die „Völkerschau“ einst weniger auf wirkliche Beschäftigung mit anderen Kulturen abzielte, sondern zumeist vor allem europäische Klischeevorstellungen bediente, wird in Löhles satirisch überspitzter Konstruktion aus der Lehrstunde zu Deutschland zwischen „Personality, History, Geografie, Kulinarischem“ eine Anti-Werbekampagne, die vor allem für uns „Beworbene“ erhellend ist – als ebenso amüsante wie abgründige Analyse eines Landes zwischen Zukunftsangst, innerer Zerrissenheit und postkolonialem Größenwahn. Und: „Abschiebeverfahren – das machen wir ganz am Schluss“…

Team

Regie

Bühne, Kostüme und Video

Dramaturgie

Licht-Design

Termine und Besetzung

Besetzung am 01.04.2020

Heike Landsberg

Andi

Frauke Hillig

Ansgar Bickel

Tony

Emil (ein Inspizient)

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Fotos
Pressestimmen
nachtkritik.de

"Regisseurin Tina Lanik (...) nimmt den Freibrief zur Akzentuierung gerne entgegen und ätzt jeder Figur gefährliche Kanten hin. Ihre Entscheidung für knallharte Farce kommt schnell wie Blitzeis. (...) Lanik lässt von Ausstatter Patrick Bannwart vier Kabinen wie fürs Wachsfigurenkabinett auf die breite Kammerspiel-Bühne rollen, holt die Insassen aus ihren Eigenheimchen zur Demonstration von Egotrips und positioniert "die Chefin" mit dem Amts-Zynismus wie festgewachsen im Zentrum dieses Tumults der Widersprüche. Euro-Patriotin Heike ist Motor des Stückes und der Aufführung. Stephanie Leue macht daraus eine satirisch hochartifizielle Luftnummer der Floskel-Saltos, ratternd in Worten und Blicken über alle Selbstgewissheit hinweg von einem Absturz zum andern taumelnd."

Süddeutsche Zeitung

"Aus dem Zusammenprall von aus der Hüfte geschossenem Wortwitz (...) und Ernsthaftigkeit entsteht auch in 'Andi Europäer' die Energie, die zwei Stunden lang kurzweilig unterhält."

  • Florian Welle, Süddeutsche Zeitung
Die deutsche Bühne

"Nun also soll allein der Durchschnittsdeutsche – übergewichtig, übelgelaunt und übereifrig – Afrikaner von der Flucht abhalten. Das Spiel mit Klischees, Vorurteilen und Stereotypen ist in die Komödie, die danach fragt, was uns Deutsche, was Deutschsein eigentlich ausmacht, eingepreist. Doch bekanntlich steckt in ihnen stets ein Funken Wahrheit und so ist „Andi Europäer“ ein ums andere Mal entlarvend."

Nürnberger Nachrichten

"Tina Lanik inszeniert diesen Horror-Zirkus mit Sinn für Timing, Hintersinn und Humor. Mit Hilfe des großartigen Ensembles gelingt es ihr, aus den wandelnden Klischeefiguren vielschichtige Charaktere zu entwickeln."

  • Steffen Radlmaier, Nürnberger Nachrichten
Nürnberger Zeitung

"Rubino spielt als bullig radikaler Behördenhengst Ansgar (...) so mächtig, fies und von allen Fesseln befreit auf wie nie zuvor. Eine imposante, schweißtreibende Leistung (...) Büschelberger in Bestform (...) ideal: Amadeus Köhli."

  • Wolf Ebersberger, Nürnberger Zeitung
Bayerische Staatszeitung

"Wo genau die Grenze zwischen den realen 'Germany, why not!'-Infoabenden und der satirischen Überspitzung liegt, bleibt offen, gibt dem Publikum aber Stoff zum Nachdenken."

  • Elke Walter, Bayerische Staatszeitung

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