Staatstheater Nürnberg

Grußwort von

Jens-Daniel Herzog

Kann man Gefühle spielen, und zwar so, dass sie glaubwürdig sind? Das Theater versucht nichts anderes und muss immer wieder darum kämpfen. Das dargestellte Gefühl ist seine Existenzgrundlage und zugleich sein größtes Problem. Nichts ist schlimmer als Gefühle, die gespielt aussehen. Dann fliegt die Mechanik des Theaters auf, und die Darstellung wird hohl, falsch und lächerlich. Ein Ausweg ist die Ironie: Das große Gefühl wird gezeigt, zugleich der Hinweis, dass man es nicht allzu ernst nehmen sollte. Das funktioniert, nur bleibt das Mit-Gefühl dabei auf der Strecke.

In der Oper hilft die Musik beim Fühlen und Mitfühlen. In der Barockoper regelt sie die Affekte nach genauen Regeln, so wie in „Bajazet (Il Tamerlano)“ von Antonio Vivaldi. Verdi war der vielleicht größte Gefühls-Künstler in der Oper des 19. Jahrhunderts: In seinem „Troubadour“ verbindet die Musik eine Geschichte voller verblüffender Wendungen und Absonderlichkeiten zu einem überzeugenden Ganzen. Richard Strauss verlegt die Gefühlswelt seiner Figuren in die Musik und macht ihre Seelenbewegungen hörbar. Benjamin Britten schafft mit seiner Musik Orte der unterdrückten Wünsche und Begierden, aber auch geografische Orte, in denen seine Figuren gefangen sind. Im Musical „Hairspray“ schließlich wird die Musik zum Sprengsatz, der verlogene gesellschaftliche Verhältnisse in die Luft jagt.

Die Musik ist das Kraftwerk der Oper, aber wir dürfen ihr nicht blind vertrauen. Wir müssen den Figuren nachspüren, über ihre Musik, ihre Worte und ihr Handeln. Sonst werden wir die echten Gefühle nicht ergründen.

Ihr
Jens-Daniel Herzog
Staatsintendant und Operndirektor

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