Staatstheater Nürnberg
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Bayerische Erklärung "DIE VIELEN"

Am 1. Februar 2019 fand in den Räumen der Sonderausstellung HITLER.MACHT.OPER des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände die Pressekonferenz zur Bayerischen Erklärung der VIELEN statt. Seitdem sich das Bündnis DIE VIELEN mit der Berliner Erklärung der Kunst- und Kulturschaffenden vom November 2018 für eine Solidarisierung mit denjenigen ausgesprochen hat, die von rechter Hetze bedroht und in ihrer Arbeit behindert werden, hat es in vielen Städten und Bundesländern weitere Erklärungen der VIELEN gegeben. Auch in Bayern haben sich Kultureinrichtungen zusammengeschlossen, um im Rahmen einer Pressekonferenz eine Bayerische Erklärung zu verabschieden und sich damit den VIELEN anzuschließen.

Auf dem Podium der Pressekonferenz stellten Jens-Daniel Herzog, Staatsintendant des Staatstheaters Nürnberg, Matthias Lilienthal, Intendant der Münchner Kammerspiele, Ingrid Bierer, Direktorin der städtischen Museen Nürnberg, Gisela Hoffmann, Leiterin des Gostner Hoftheaters und Christian Schnurer, Vorsitzender des Berufsverbandes Bildender Künstler, Landesverband Bayern, die Bayerische Erklärung vor. Sie machten dabei deutlich, dass die rechtsextremen Parteien und andere rechte Gruppierungen mit ihren gezielten Angriffen gegen die Kunst- und Kulturlandschaft eine bislang beispiellose Kampagne der Solidarität und der gesellschaftspolitischen Verantwortung der Kunst ausgelöst haben. Die bayerischen Erstunterzeichner*innen der ERKLÄRUNG DER VIELEN kündigten an, am 19. Mai 2019 in Nürnberg und München zwei „Glänzende Demonstrationen“ für ein „EUROPA DER VIELEN“ zu organisieren, als Teil einer bundesweiten Großdemonstration für die Schönheit der Vielfalt.

„Wir fühlen uns als Staatstheater Nürnberg aufgrund unserer Geschichte besonders verpflichtet, Solidarität mit denen zu zeigen, die mit ihrer künstlerischen Arbeit Anfeindungen und Diffamierungen ausgesetzt sind“, begründet Staatsintendant Jens-Daniel Herzog sein Engagement für DIE VIELEN. „Erst recht dann, wenn diese Anfeindungen wieder aus politischen Parteien und aus den Parlamenten heraus geschehen.“

„Als Museen der Stadt Nürnberg stehen wir schon durch den Verbund an sich für die vielfältige Kultur in dieser Stadt“, betont Ingrid Bierer, Direktorin der Museen der Stadt Nürnberg. „Wir thematisieren in unseren historischen Museen die Abschnitte der Geschichte, die eben diese Freiheit und Vielfalt förderten, ebenso wie die Zeiten der Unterdrückung, des Rassismus und der Gleichschaltung. Un-ser Angebot ist offen für alle Menschen. Die diversen Lebensgeschichten der Nürnberger Bevölkerung bereichern unseren Blick auf unsere Stadt und unsere Kulturen.“ Frau Bierer fügt hinzu: „Als Kultureinrichtung verwahren wir uns gegen jegliche Beschneidung von Kunst und Kultur.“

Auch die lokale Vernetzung der VIELEN ist ein wichtiger Aspekt der gemeinsamen Erklärung, meint Matthias Lilienthal, Intendant der Münchner Kammerspiele: „Mich interessiert, die Kultureinrichtungen in München an einen Tisch zu bringen, damit wir gemeinsam was bewegen können und uns stark machen können für eine plurale Gesellschaft und gegen rechte Umtriebe.“

Gisela Hoffmann, Leiterin des Nürnberger Gostner Hoftheaters, hat sich bereits mit gezielten Angriffen der AfD auseinandersetzen müssen: „Vor etwas mehr als zwei Jahren waren wir massiven Anfeindungen durch die AfD ausgesetzt und wurden der Diskriminierung und des Rassismus bezichtigt, weil Geflüchtete sämtliche Veranstaltungen bei freiem Eintritt besuchen konnten. Sie drohte, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um uns die Subventionen zu streichen. Daraufhin gründeten wir mit vielen Bühnen in Bayern das Bündnis ‚gemeinsam grenzenlos‘, um für die Freiheit der Kunst, für Toleranz, für eine offene Gesellschaft und gegen Rassismus und rechtsnationale Tendenzen einzutreten.“

„Die Erklärung der VIELEN ist angelegt als breites zivilgesellschaftliches Statement“, erläutert Christian Schnurer vom Berufsverband der bildenden Künstler*innen den Hintergrund der Bayerischen Erklärung: „DIE VIELEN soll eine europaweite Bewegung gegen die Unkultur der Abschottung, des Nationalismus, der Unmenschlichkeit werden. Wir wollen eine bisher schweigende Mehrheit sichtbar machen und Menschen aktivieren sich zu äußern und für den Nachbarn einzustehen.“

Die „BAYERISCHE ERKLÄRUNG“ DER VIELEN

KUNST SCHAFFT EINEN RAUM ZUR VERÄNDERUNG DER WELT

Als Kulturschaffende in Deutschland stehen wir nicht über den Dingen, sondern auf einem Boden, von dem aus die größten Staatsverbrechen der Menschheitsgeschichte begangen wurden.

Jede*r Kulturschaffende in Bayern trägt eine besondere Verantwortung. Hier wurde die Nationalsozialistische Bewegung gegründet. München war deren Hauptstadt und Parteizentrale der NSDAP. Bayreuth führte die Nazis und das Großkapital im Rahmen der Richard Wagner Festspiele zusammen. Der Obersalzberg wurde zum zweiten Regierungssitz des Dritten Reichs und Nürnberg der Aufmarschplatz der Reichsparteitage. Das Haus der Deutschen Kunst war der Tempel der Germanischen Leitkultur, während gleichzeitig in Dachau der Prototyp des Konzentrationslagers entwickelt wurde.

In diesem Land wurde die eine Kunst als entartet diffamiert, während die andere Kunst zu Propagandazwecken missbraucht wurde und die Reichskunstkammer Berufsverbote legitimierte. Millionen Menschen wurden ermordet oder gingen ins Exil. Andere verschlossen die Augen, wurden zu Nutznießern oder zu willfährigen Dienern des unmenschlichen Systems, in beiden Gruppen auch viele Künstler*innen. Heute begreifen wir Kunst und ihre verschiedenen Einrichtungen wie Museen, Theater, Konzerthäuser, Clubs in urbanen oder ländlichen Räumen als Orte, die Vielen gehören, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht oder Weltanschauung. Die Versammlung heterogener Individuen bereichert unsere plurale Gesellschaft. Viele unterschiedliche Interessen treffen aufeinander.

SOLIDARITÄT STATT PRIVILEGIEN. ES GEHT UM ALLE. DIE KUNST BLEIBT FREI!

Unsere Demokratie muss in diesem Sinne täglich neu verhandelt werden. Die Voraussetzung hierfür: es geht stets um Alle, um jeden Einzelnen als Abbild der vielen Möglichkeiten.

Rechter Populismus steht Akteuren einer solchen gesellschaftlichen Vision feindlich gegenüber, wenn er Veranstaltungen stört oder behindert, versucht in Spielpläne oder Programme einzugreifen, gegen die Freiheit der Kunst polemisierend antritt und an einer Renationalisierung der Kultur arbeitet.

Rassismus, Diskriminierung und Ausgrenzung sind Teil der alltäglichen Erfahrungen. Verächtlicher Umgang mit der Vielschichtigkeit unserer Gesellschaft, mit Menschen auf der Flucht, die unsere Hilfe benötigen, mit Künstler*innen, die versuchen, die Phänomene ihrer Zeit aufzuzeigen, kann nicht geduldet werden.

Dieses Bündnis will nicht nur die Symptome bekämpfen, sondern durch die Auseinandersetzung mit den eigenen Strukturen sich diesen Phänomenen entgegenstellen und sich für die Freiheit der Menschen, des Denkens und insbesondere für die Freiheit der Kunst stark machen.

Wir, die Unterzeichnenden der Bayerischen Kunst-, Kultur- und Theatereinrichtun-gen und Interessensverbände, bekennen uns zur Vielfältigkeit unserer Gesellschaft und leben diese in unseren Institutionen.

Die unterzeichnenden Kunst- und Kulturinstitutionen führen einen offenen, aufklärenden, kritischen Dialog über rechtspopulistische Strategien. Sie gestalten diesen Dialog sowohl mit den Mitwirkenden, als auch mit ihrem Publikum, in der Überzeugung, dass sie als beteiligte Häuser den Auftrag haben, unsere Gesellschaft in einem demokratischen Sinne fortzuentwickeln.

  • Die Unterzeichnenden bieten kein Podium für völkisch-nationalistische Propaganda.

  • Wir wehren die Versuche ab, Kulturveranstaltungen für rechtsnationale Zwecke zu instrumentalisieren.

  • Wir, die Unterzeichnenden, verbinden uns solidarisch mit all den Menschen, die durch rechte Ideologien an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden sollen.


    Bild (v.l.n.r): Podiumsgäste der Pressekonferenz am 1.2.2019: Gisela Hoffmann, Leiterin des Gostner Hoftheaters, Ingrid Bierer, Direktorin der städtischen Museen Nürnberg, Jens-Daniel Herzog, Staatsintendant des Staatstheaters Nürnberg, Christian Schnurer, Vorsitzender des Berufsverbandes Bildender Künstler, Landesverband Bayern, und Matthias Lilienthal, Intendant der Münchner Kammerspiele

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